Spinnennetze faszinieren seit jeher: filigran, funktional und tödlich für Insekten. Doch was passiert eigentlich, wenn andere Spinnen in ein fremdes Netz geraten? Kleben sie genauso fest wie Fliegen und Mücken – oder haben sie besondere Tricks entwickelt, um zu entkommen? Die Antwort ist komplex, denn Spinnen begegnen fremden Netzen auf sehr unterschiedliche Weise.
Wenn Spinnen Netze zufällig betreten
Viele Spinnenarten bauen selbst keine Netze, sondern jagen frei – etwa Wolfspinnen oder Springspinnen. Sie können versehentlich in ein Radnetz oder Trichternetz geraten. Dort kleben sie meist genauso fest wie Insekten, denn die Fangspiralen sind mit klebrigen Tröpfchen ausgestattet.
Auch Jungtiere, die per Ballonflug durch die Luft segeln, landen nicht selten in fremden Netzen. In solchen Fällen reagiert die Netzbesitzerin blitzschnell: Sie beißt, wickelt und frisst den Eindringling – selbst wenn es eine Artgenossin ist.
Gezielte Eindringlinge – wenn es Absicht ist
Neben Zufallsopfern gibt es Spinnen, die bewusst fremde Netze aufsuchen. Dazu gehören:
Männchen auf Partnersuche: Sie nähern sich vorsichtig dem Netz eines Weibchens und senden rhythmische Vibrationssignale, um nicht sofort als Beute zu gelten. Trotzdem ist das Risiko hoch – viele Männchen werden nach der Paarung gefressen.
Kleptoparasiten: Kleine Kugelspinnen wie Argyrodes leben am Rand großer Netze. Tarnfarben machen sie unscheinbar wie Tautropfen. Sie stehlen kleine Beutetiere oder naschen an Resten, während die Netzbesitzerin beschäftigt ist.
Piratenspinnen (Ero-Arten): Diese Räuber gehen noch weiter. Mit gezielten Zupfbewegungen täuschen sie gefangene Beute vor. Kommt die Wirtin näher, wird sie selbst Opfer.
Wie schaffen sie es, nicht zu kleben?
Spezialisierte Spinnen haben Anpassungen entwickelt, um die Gefahr zu minimieren:
Sie bewegen sich fast ausschließlich auf nicht-klebrigen Rahmen- und Speichenfäden.
Ihre Schritte sind extrem vorsichtig und oft durch den Wind „getarnt“.
Manche schneiden sich sogar eigene Wege durch die Fangspirale.
Ihre Beine tragen feine Borsten, die verhindern, dass Klebetröpfchen haften bleiben.
Dadurch können sie wochen- oder monatelang im Netz einer fremden Spinne überleben.
Gemeinschaftsnetze – die seltene Ausnahme
Einige Spinnenarten, wie Anelosimus oder Stegodyphus, leben in riesigen Gemeinschaftsnetzen mit Hunderten Tieren. Dort werden Artgenossen toleriert, und auch Beute wird gemeinsam überwältigt. Fremde Arten dagegen haben selbst hier kaum eine Chance – es sei denn, sie bleiben am äußersten Rand unauffällig.
Fazit: Risiko, Taktik oder Tod
Fremde Spinnen in fremden Netzen können alles sein:
Opfer, die wie Insekten kleben bleiben.
Liebhaber, die ihr Leben im Netz einer Partnerin riskieren.
Diebe, die geschickt Beute stehlen.
Piraten, die Netzbesitzerinnen überlisten und fressen.
Ob sie kleben bleiben oder überleben, hängt von ihrer Strategie ab. Das Spinnennetz ist also nicht nur eine Insektenfalle – es ist auch eine Bühne für Dramen zwischen Spinnen selbst.